Über das Sammeln, Ordnen und Bewahren von Erinnerungsobjekten 

Die Zuckerdose

Ich besitze seit einem Jahr eine Zuckerdose aus Schlesien. Meine Mutter starb vor sechs Jahren und mein Vater vor einem Jahr. Als wir das Haus auflösen mussten, fiel mein Blick auf eine alte, blumen-geschmückte Zuckerdose aus Porzellan. Ich musste Sie unbedingt mitnehmen, sozusagen retten.

Ich konnte mich erinnern, dass meine Großmutter damals im Zweiten Weltkrieg unter anderem diese Zuckerdose auf der Flucht von Schlesien mitgenommen hatte. Meine Mutter war damals siebzehn Jahre alt und hat diese Zuckerdose dann weiter behütet und aufbewahrt.

Diese Zuckerdose hat eine ganz bestimmte Aura für mich. Durch diese Geschichte fühle ich mich verbunden mit meiner Mutter und Großmutter und meinen Ahnen mütterlicherseits. Die Dose hat zwei Klebestellen, ich weiß nicht, wann Sie zersprungen ist, aber man könnte sich vorstellen, dass Sie während 
der langen Flucht kaputt gegangen ist. Dadurch werden die Narben sichtbar, die auf der Fluchtwanderung und durch die Kriegserlebnisse entstanden sind.

Jetzt liegt es an mir, die Zuckerdose zu bewahren und irgendwann an meine Kinder weiterzugeben. Ich hoffe, dass Sie noch lange lebt.